29. September 2021

#neustartwirkt vor Ort, Förderbereich Veranstaltungsorte für Konzert, Tanz und Theater, Projektbesuch

NEUSTART zu Besuch bei Berliner Veranstaltungsorten – erste Station: Theater der kleinen Form

Von: Sven Rosenberger

Es ist ein ungewöhnlicher Anblick, der sich an diesem frühherbstlichen Freitagnachmittag vor dem Galerie-Café Emma T. in Berlin-Weißensee bietet. Zwei Männer im besten Alter, der eine von ihnen mit weißem Vollbart und beide mit Hut, Jacke, Jeans und festem Schuhwerk bekleidet, sitzen mit zwei dicken Zigarren vor dem Café. Zwischen ihnen sitzt ein Stofftier-Orang-Utan. Der Weißbärtige hält dem roten Plüsch-Affen seine Zigarre ans Maul. Mit am Tisch sitzen Hanna, Lea, Stephanie, Felix und Sven – das Team „Bühne“ des NEUSTART Sofortprogramms. Zwischen den Männern sitzt das NEUSTART Maskottchen Herr Nilsson. Für sie ist es das Ende eines Tages, an dem sie vier geförderte Veranstaltungsorte in Berlin besucht haben. Auf ihrem Weg trafen sie engagierte Menschen, die über einen Aufschwung der Kreativwirtschaft, die Motivation während der Lockdowns und neue technische Möglichkeiten gesprochen haben.

Erste Station: Theater der kleinen Form

Acht Stunden bevor der Affe zur Zigarre kam, traf sich das Team am Comeniusplatz in Berlin-Friedrichshain. Seit 2010 befindet sich hier im Erdgeschoss eines Mietshauses das Theater der kleinen Form. Das Puppentheater für Kinder erhielt eine Förderung über das NEUSTART Sofortprogramm und ist die erste Station auf ihrem Weg, der sie über Mitte nach Weißensee führen wird.

Mit einem für die morgendliche Uhrzeit bemerkenswert energischen „Herzlich Willkommen“ begrüßt Evelyn Geller das Team, als dieses durch die verglaste Eingangstür den Vorraum des Theaters betritt. Die Theatergründerin steht Ihnen gegenüber an der Kasse hinter einer Plexiglasscheibe. Das Licht, das durch das große Schaufenster neben der Eingangstür scheint, fällt auf zwei große Holztische. Hier treffen sich Eltern aus dem Kiez auch gerne zum Kaffee trinken, während ihre Kinder in der angeschlossenen Tanz- und Musikschule unterrichtet werden. An den Wänden hängen fantasievolle Handpuppen, die schon von so einigen großen Kinderaugen bestaunt wurden. Herr Nilsson fühlt sich hier wie zu Hause.

Frische Luft und ein Bestellsystem

Im Gegensatz zum warmen Willkommen ist es im Theater recht kühl. „Wir haben uns erstmal gegen einen Lüfter entschieden, da wir unsere kleinen Räume gut lüften können“, erklärt Geller, die einen blauen Rollkragenpulli trägt, und greift zu ihrem Mobiltelefon: „Wir haben uns ein neues Buchungs- und Kassensystem angeschafft.“ Über die Webseite des Theaters lassen sich dank der NEUSTART Förderung nun online Tickets buchen. Eine Ampel zeigt den Besucher*innen an, bei welcher Vorstellung noch Plätze frei sind. Bei der Reservierung werden die Daten zur Kontaktnachverfolgung erfasst und Geller kann den jungen und erwachsenen Gästen schon vor der Vorstellung Plätze zuweisen. Mit dem Mobiltelefon in der Hand und geöffneter App demonstriert sie, wie sie die geforderten Impf- und Testnachweise für alle über sechs Jahre in ihr Kassensystem übertragen kann. „Und Kartenzahlung ist jetzt auch möglich“, sagt sie und deutet auf das mobile Kartenlesegerät, das vor ihr auf dem Tresen liegt.

Freude über die Wiedereröffnung

Konnten vor Corona den märchenhaften Aufführungen noch bis zu 60 Personen folgen, musste das Theater wegen der Abstandsregelungen die maximale Besucheranzahl auf 25 reduzieren. Für die  Diplom-Puppenspielerin steht jedoch die Sicherheit ihrer Gäste an erster Stelle: „Mir ist es lieber, es kommen weniger, mir ist das zu riskant.“ Das kleine Theater musste allerdings die Ticketpreise von sechs auf acht Euro erhöhen. Doch laut Geller überwiegt bei ihren Gästen die Freude über die Wiedereröffnung nach den Lockdowns: „Niemand hat sich beschwert. Die waren froh, dass sie wiederkommen konnten.“ Hinter der Besuchergruppe betritt eine Nachbarin das Theater und schließt einen Teddy in die Arme, der neben der Eingangstür auf sie wartete: „Jetzt ist wieder Frieden zu Hause“, sagt sie erleichtert und verabschiedet sich. Im Theater herrscht eine familiäre Atmosphäre.

Stimmungsvoller Märchenwald

Die diplomierte Puppenspielerin führt das NEUSTART Team durch eine Tür mit goldenem Rahmen, die zuvor von einem roten Vorhang verhängt war. Dahinter liegt das Herzstück des Theaters. Auf der Bühne ist ein Märchenwald aufgebaut. Ein großes Tor überragt in der Mitte die umstehenden Bäume, von denen eine Birne, ein Apfel und eine Traube freundlich herablächeln. Unterhalb des Tors ergießt sich ein schimmernder Wasserfall in den Zuschauerraum. Alles mit einer neuen Anlage in ein stimmungsvolles Licht getaucht, die ebenfalls über das Sofortprogramm gefördert wurde. Die kleinen Stühle vor der Bühne warten schon auf die nächste Vorstellung.

Hologramm für die Bühne

Evelyn Geller wirkt trotz der schweren Zeit, die sie und ihr Theater wegen der Pandemie durchgemacht haben, motiviert: „Durch die Förderung haben wir die Chance, neue Konzepte für das Theater zu entwickeln. So sind wir eine engere Kooperation mit einer Kita eingegangen und probieren neue Darstellungsformen aus.“ Als sie von einem neuen Bildschirm erzählt, über dem sich ein Hologramm für das Bühnenbild erzeugen lässt, ist die Besuchergruppe sichtlich beeindruckt. Sie würde auch gerne noch mehr mit ihrer neuen Kamera machen, doch für einen professionellen Einsatz fehlt ihr noch das nötige Know-how.

Aufschwung für die Kreativwirtschaft

„Durch das NEUSTART KULTUR Programm konnte ich wieder neue Künstler*innen einladen“, bemerkt sie als sie ihre Besuchergruppe wieder in den Vorraum zurückführt und fügt hinzu: „Durch die Förderung hat die Kreativwirtschaft einen großen Aufschwung erhalten.“ Das Puppentheater hatte auch beim Nachfolgeprogramm NEUSTART KULTUR beim Bundesverband Soziokultur eine Förderung erhalten. Die Zukunft ohne Förderung sieht sie jedoch ungewiss: „Die Angst ist, wenn 2022 rum ist, ist alles aus.“

Als sich Evelyn Geller für die „wahnsinnig gute Beratung“ bedankt und die „transparente Förderung“ des Bundesverbandes lobt, blickt sie in freudige Gesichter. Das Team macht sich auf zu seiner nächsten Station, denn um 10 Uhr beginnt schon die Vorstellung im Theater der kleinen Form.

Weiterlesen:

NEUSTART zu Besuch bei Berliner Veranstaltungsorten – zweite Station: Sophiensæle

NEUSTART zu Besuch bei Berliner Veranstaltungsorten – dritte Station: Literaturforum im Brechthaus

Autor*innen

  Sven Rosenberger Förderreferent, Öffentlichkeitsarbeit NEUSTART Sofortprogramm

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