Der wiederholte Lockdown ist für das Jugendtheaterprojekt „Sommernachtstraum“ zur Geduldsprobe geworden – die Wiederaufnahme der Proben und die Aufführung sind ungewiss. Das NEUSTART Sofortprogramm unterstützt das Wiedereröffnungskonzept der Theaterbühne im Kulturverein Platenlaase.
Es ist Donnerstag vier Uhr, als auf der Theaterbühne im Kulturverein Platenlaase die Lichter angehen. Bis zu 25 Jugendliche kommen hier in der Gemeinde Jameln in Niedersachsen zusammen, um für ihr Stück „Sommernachtstraum“ nach William Shakespeare zu proben. Die Probe beginnt mit Aufwärmübungen im großen Kreis auf der Bühne. Zu Musik wird durch Improvisation die Fläche der Bühne erkundet, Stimm- und Sprechübungen bereiten auf die Szenenarbeit vor. Die Jugendlichen üben sich in schauspielerischem Hinfallen und Ohrfeigen, bevor sie in zwei Kleingruppen unter der Regie von Carolin Serafin und Henning Karge "Die Liebenden" und "Die Elfen" proben. Zum Abschluss zeigen sie einander die szenischen Ergebnisse und kommen noch einmal zur gemeinsamen Lieblingsimprovisation zusammen.
Theaterproben mit Sicherheitsabstand
Auf diese bewährte Art konnten die Proben für das Theaterprojekt, das über das Programm „Jugend ins Zentrum!“ des Bundesverbands Soziokultur e.V. gefördert wird, nur für eine kurze Zeit durchgeführt werden, dann machte der erste Lockdown im März 2020 einen Strich durch die Planung. Mit der Förderung durch das NEUSTART Sofortprogramm setzte der Verein ein umfassendes Schutz- und Hygienekonzept um, das die Wiederaufnahme der Proben im späten Frühjahr ermöglichte. Im Theatersaal geben Pfeile auf dem Boden ein Leitsystem vor, Desinfektionsmittelspender stehen zur Verfügung, geprobt wird nur noch in Kleingruppen – mit Sicherheitsabstand und Masken auf der Bühne. „Es ist trotzdem nicht dasselbe, es fehlt das Gefühl des Zusammenhalts, das vor allem durch das Zusammenkommen in der großen Gruppe entsteht“, erzählt Carolin Serafin.
Die Theaterprojekte im Kulturverein Platenlaase sind inzwischen ein Selbstläufer. Jugendliche aus Vorgängerprojekten wie „Legoland“ sind häufig wieder dabei und bringen Freund*innen zum nächsten Projekt mit. Die Theaterbühne ist den meisten schon seit ihrer Grundschulzeit bekannt. Hier zeigt die Freie Bühne Wendland jedes Jahr zur Weihnachtszeit ein Theaterstück, das von den umliegenden Schulen gerne besucht wird und für viele Kinder und Jugendliche oft das einzige Theatererlebnis ist. Bei diesen Aufführungen sind auf der Bühne auch Carolin Serafin und Henning Karge zu sehen, die vielen Schüler*innen darüber hinaus bereits von schulischen Theater-Workshops bekannt sind.
Herausforderung Mobilität im ländlichen Raum
Mobilität ist die größte Herausforderung, die von den Teilnehmenden bewältigt werden muss. „Im Grunde hat hier jedes Kind erschwerten Zugang zu Kunst und Kultur“, erklärt das Projektteam. Wer an den Proben teilnehmen möchte, muss lange Fahrten im Schulbus in Kauf nehmen oder ist auf engagierte Eltern angewiesen, die die Fahrt mit dem Auto übernehmen können. Wenn kein Fahrzeug zur Verfügung steht, viele Geschwisterkinder unter einen Hut zu bringen sind oder Jugendliche in öffentlichen Einrichtungen aufwachsen, kann das zu einem Hinderungsgrund für die Teilnahme werden. In einem Jahr stand den Jugendlichen ein durch den Landkreis finanziertes Jugendmobil samt Fahrer*in zur Verfügung – ein Angebot, das dauerhaft nötig wäre.
Der zweite Corona-Lockdown ist für die Schauspielgruppe zu einer Geduldsprobe geworden. Zurzeit ruhen die Proben, viel fehlt jedoch nicht mehr, um das Stück zum Abschluss und damit auch auf die Bühne zu bringen. Das webbasierte Buchungssystem und ein Sonnensegel ermöglichen die Entzerrung von Besucher*innen im Eingangsbereich. Im Theatersaal können durch die Ausarbeitung eines neuen Sitzplanes größere Abstände eingehalten werden. Die Mitarbeiter*innen sind intensiv in Hygienemaßnahmen geschult worden und blicken dem Theatersommer ebenso erwartungsvoll entgegen wie die Jugendlichen selbst. Der „Sommernachtstraum“ ist ein Stück, das gerade jetzt auf die Bühne muss, wie Henning Karge betont: „Der Sommernachtstraum ist genau das, was wir jetzt brauchen: ein lustig-buntes, schrilles, modernes, freches Stück. Ein Feuerwerk nach Corona!“
Ein Radiobeitrag zum Thema findet sich auf der Webseite des Vereins: https://www.platenlaase.de/radio-zusa-ueber-das-jugendtheater-in-platenlaase
Platenlaase Preview: Die Schauspieler*innen stellen Charaktere des Sommernachtstraums vor
Für alle, die genug vom Homeoffice haben, für alle, denen Netflix auf der Couch nicht reicht und für alle, die endlich wieder ins Theater gehen wollen, haben einige Jungschauspieler*innen vom Kulturverein Platenlaase Figuren und Szenen zusammengestellt, die Lust machen, den ganzen Sommernachtstraum zu sehen. Live und in Farbe und vor Ort. Vorhang auf!
Hermia
Hermia ist etwas zickig und eingebildet, aber auch emotional und empfindlich. Sie liebt Lysander sehr und würde so einiges auf sich nehmen, um mit ihm zusammen sein zu können. Meine Lieblingsszene ist der Morgen von Theseus' und Hippolytas Hochzeit, als die vier Liebenden aufwachen. Sie reden gemeinsam über ihre Erlebnisse und Erinnerungen an die Nacht und all der Schmerz, die Sorge, der Zweifel und die Wut scheinen wie ausgelöscht. Die vier sind sich einig und gehen als Gruppe gemeinsam zur Hochzeit von Theseus und Hippolyta. (Karla, 15)
Handwerker Schnauz
Ich bin Kevin und bin in einer Wohngruppe in Dannenberg. Ich spiele im Stück den Handwerker Schnauz. Schnauz ist ein sehr verpeilter Handwerker, ich glaube sogar, der dümmste. Ich mag diese Rolle, man hat wenig Text, aber muss sehr viel an seiner Mimik üben. Außerdem macht die Zusammenarbeit mit Carolin und Henning sehr viel Spaß. Die Gruppe ist auch ganz nett und ich komme gut mit allen klar.
Ich hoffe, wir können dieses Stück noch aufführen. (Kevin, 15)
Elf Senfsamen
Senfsamen ist ein Elf, der seiner Königin zwar jeden Wunsch erfüllt und zu seinen Artgenossen hält, zu anderen Gestalten aber häufig giftig und biestig ist. Er kann jedoch auch niedlich sein, wenn er will. (Was allerdings sehr selten der Fall ist.) Ich fühle mich sehr wohl in der Rolle, da Senfsamen sich wild und natürlich, nicht so zivilisiert verhält, was ich total mag, da ich Zivilisation manchmal echt nervig finde. Meine Lieblingsszene ist, als Oberon und Titania sich mit großem Spektakel um das Waisenkind streiten. (Marina, 14)
Handwerker Peter Squenz
Squenz ist ein androgyner und sehr liebenswürdiger Charakter und kann kaum jemandem böse werden. Dass er jedoch recht unsicher ist und nicht gerade das höchste Maß an Geduld hat, wird besonders deutlich durch die (möglicherweise ungewollten) Provokationen des Handwerkers Klaus Zettel.
Squenz liebt die Kunst und ist doch nicht wirklich künstlerisch, was ihm jedoch zum Leid anderer entgeht. Seine loyale und äußerst ehrliche Art ist bewundernswert und besonders in der Szene, in welcher Zettel vermisst wird, berührt mich seine zutiefst ehrliche Sorge jedes Mal. (Ron, 19)
Elfenkönig Oberon
Oberon ist im Streit mit seiner Frau Titania und belegt sie deswegen mit einem Zauber. Er ist ein temperamentvoller Herrscher, der sehr von sich überzeugt ist. Er ist cholerisch und lässt sich ungern auf der Nase herumtanzen. Zusammen mit seinem Gefolge und seinem Diener Puck setzt er seine Meinung immer durch. Gerade, weil ich normalerweise ein etwas ruhigerer Mensch bin, ist es sehr toll, eine so andere Rolle auf der Bühne zu verkörpern. Meine Lieblingsszene ist die erste Szene von Oberon und Titania. Sie streiten sich, aber neben dem Streit merkt man auch, dass die beiden Figuren sich sehr vertraut sind. (Hagen, 16)
Eine andere Version dieses Textes ist erschienen in SOZIOkultur Heft 1/2021